Die große Hoffnung

Vergeudet hab' ich die zehntausend Jahre
Mit Pein und Haß und Not und Qual !
Gib', Schicksal, mir die Erde noch ein Mal,
Daß ich an ihr mein Wesen offenbare,
Daß ich zu Hut und Dienst bestellt,
Fortan sie als mein menschlich Heim verwalte
Und sie bebaue als mein menschlich Feld, -
Auf daß ich mich zu mir empor gestalte !

Ernst Lissauer setzt sich in seinem lyrischen Werk mit seinen Problemen als deutscher Jude im Wien der Zwischenkriegszeit auseinander. Er wurde 10.12.1882 Berlin geboren, ist verheiratet mit Grete Lissauer, lebt in Wien in einem Vorort, unweit des Kahlenbergs und der Donau, in Döbling. Er ist der jüngste Sohn eines großen Berliner Kaufmannes, der Handelsrichter, Stadtverordneter von Charlottenburg, Wirtschaftspolitiker und Freimaurer war. Der Vater besaß " eines der größten Seidenhäuser von Berlin ". Er war bei der Revolution 1848 Mitglied der Berliner Bürgerwehr, zählte zu den Gründern der Berliner Reformgemeinde, " welche den jüdischen Gottesdienst modernisierte und in ihm das Hebräischezugunsten der deutschen Sprache zurückdrängte. Die Großmutter mütterlicherseits gehörte zu den ersten Kämpferinnen der bürgerlichen Frauenbewegung. Sie war die Tochter eines Rabbiners in der Provinz Posen. Er fühlt sich " ausschließlich als Deutscher ". Er läßt sich auf Wunsch seiner Eltern mit 15 Jahren taufen. Im Jahre 1924 ist er mit " weit links stehenden protestantischen Geistlichen " befreundet . Eine Abkehr vom Judentum empfände er als Verrat. Er sieht einen Antrag im Deutschen Reichstag auf Entziehung der staatsbürgerlichen Rechte für Juden als " tiefe Schmach ". Er fühlt die " Verpflichtung, auszuharren ", in seiner Person " das Beispiel eines der deutschen Sache dienenden und tiefst verpflichteten Juden zu geben "." Zeitenwende " = Schwanenlied, hat sich mit seinem Buch " Glück in Österreich ", das ihm von den politischen Behörden kurzsichtig vorenthaltene Bürgerrecht in der Wahlheimat erworben. , wohnt Wien XIX. Chimanistr. 22 , In seinem Drama " Die Steine reden " handelt er von einer mittelalterlichen Dombauhütte, wie sie das "Bauhaus " in der Zeit des Aufbaues der Weimarer Republik zum Vorbild nahm. Drei steinerne Gestalten spielen eine tragende Rolle : David, Paulus und Johannes. Über ihren Häuptern stehen " rote Pfingstflammen ". Meister Ulrich sieht in einer schrecklichen Vision, die von den Eindrücken im Entstehungsjahr 1936 zeugt, dieses Werk scheitern :


Die Wölbung stürzt ..
Das Schiff zerbirst ..
Die Heiligen an den Mauern schrein ..
Der Stier des Lukas brüllt ..
Die Wasserspeier fahren über die Dächer hin -!


In letzten Szene wenden sich die drei Heiligen unmittelbar an den verzweifelten Baumeister :


Dein ist die Rache nicht !
Dein nicht Recht und Gericht !
Der da sich rächend richtet, richtet sich !
Rette das Werk !
Rette den Dom !
Rette den Turm !
Rette Dich !

 


Greta Andrén und Ernst Deutsch, der deportiert und ermordet wurde


Ernst Lissauer faßt seine Schwierigkeiten mit Juden- und Deutschtum in die Form eines Gedichtes :


O Volk, mein Volk !


O Volk, mein Volk ! Welch Volk ist denn nun mein ?
Wie eine Kiepe voll Geschichtsgestein
Schleppe ich zweier Völker Last.
Dem Deutschen Jude, deutsch getarnt,
Dem Juden deutsch, treulos an Israel, -
Hört ihr die Klapper, welche weithin warnt ?
Aussätzig von der beiden Völker Fehl !
Dumpf um mich bläst Jahrtausendwind,
Ich kauere hoch am wilden Zeitenpaß
Und kratze mir den grauen Grind
Der Weltgeschichte, siech von Völkerhaß.




In " Deutsche Sprache " klagt er :


Du, der die Sprache seiner Feinde spricht !
Du, der mit jedem Laut die Schmach vergibt !
Du, der die Sprache seiner Feinde liebt !
Mit jeder Silbe hältst du dir Gericht !


Und ob sie mich auch schmäht auf allen Gassen,
Ich kann die deutsche Sprache niemals hassen.
Aus deutscher Sprache ist mein Geist gebaut,
Die fremde Luft wird deutsch von meinem Laut.


Ich bin verbannt,
Nicht aus dem Wort.
Es zieht mit mir,
Mein Land,
Mein Ort.



Porträt Eva Seinfeld, deportiert und ermordet

Über sich selbst schreibt Lissauer :


... wie David zur Harfe sing' ich mir dunkeltönig


Vielleicht war ich vor Zeit ein deutscher Meister,
Der niederfuhr in eines Juden Leib.
...


Du Mensch, der da hört auf meinen Namen,
Weither gekommen aus jüdischem Samen,
Du Mensch, mit meinem Namen genannt,
Aufgewachsen in deutschem Land,
...
Du deutsche Sprache, meine große Mutter,
Ihr Judenväter, ihr deutschen Väter,
Jesaja, Luther,
Ich Ausgesäter,
Ich Windverwehter,
Ich Ausgedroschner,
Ich Ausgeloschner
...


Du hast mich getränkt
Aus zweier Völker Saft
Und ihn in mir vermengt.
...


Die Völker, die in meinem Namen bauen,
Verwerfen mich als unbrauchbaren Stein.
Mir ist nicht Anfang und nicht Ende, -
Zu unterst abgestürzt in Kluft und Spalt,
Zur Recht' und Linken steile Weltenwände,
Greif' ich empor, ich taste nirgend Halt.


Ich bin nicht jener, der ich ward.
Ich schwebe mitten zwischen Ich und Ich.
Schon fühl' ich mich in fern vergangne Zeiten,
Ein tief entfremdet Du, entgegenschreiten,
Weh, jener Deutsche war ich sicherlich.


Wer aber bin ich, wenn ich dies nicht bin,
Verleugne ich das Volk, des Sprach' ich spreche, -
Ich es verleugnen ?! Leugn' ich meinen Sinn ?




Rückseite der Fotografie von Walter Brill

Dr. Franz Golfing oder Golffing , Pseudonym Ignaz Riebl, schreibt in der " Glocke ", Wien über Ernst Lissauers " Zeitenwende " : " Wir stehen auf einem Boden, der unter uns schwankt und bereit erscheint, den Schreitenden schon im nächsten Augenblick zu verschlingen; wohin der Blick sich wendet, gewahrt er nichts als Wolken ... " Dissertation der Philosophie in Basel, 1935 in Wien im Selbstverlag erschienen. Band " Gedichte " 1938 im Saturn Verlag, Wien IX., S. 11, " Kreuzweg "


Und ich seh Dich nun,
Wie Du heimgehst und
Vor dem Nachtgraun nicht bangst,
Während grimm in mir
Wie ein Feuer tobt,
Die mich tötet, die Angst.




Walter Brill, deportiert und ermordet


1934 tagt in London die IV. Weltkonferenz der International Christian Alliance unter Vorsitz von Sir Leon Levison. Vom 5. bis 10. Juli 1937 wird die V. Weltkonferenz der International Christian Alliance in Budapest gehalten. Bei der ersten Versammlung am 6. Juli gibt der Geschäftsbericht des Generalsekretärs eine beeindruckende Dokumentation über Verfolgung, Not der Emigranten. Als Ziel wird daher die Bildung einer Heimstätte für Judenchristen in Erez Israel ins Auge gefaßt. Es soll Land für eine Kolonie gekauft werden. Es werden Hilfseinrichtungen für aus dem Dritten Reich geflüchtete " nichtarische Christen " geschaffen. " Der Rassegedanke wird in den Schriften auf das Entschiedenste bekämpft. " 1934 findet das Jahrestreffen des Institutum Delitzschinanum in Leipzig statt. Das Institut wird von den Nazis bedroht und muß kurze Zeit später auf Anordnung der Gestapo schließen. Die Bibliothek brennt. Der Direktor Kosmala schreibt in einem Brief : " Es gibt Augenblicke im Leben, in denen man beinahe verzweifelt und an Gottes Führung verzweifelt. Mir ist das geschehen, als ich sah, wie er zuließ, daß sein eigenes Werk durch weltliche Mächte zerstört wurde. " Der Direktor Kosmala setzt auf Anregung von Birger Pernow seine Arbeit in Wien fort. Das Haus in der Seegasse wird in der Folgezeit zum Zufluchtsort für Menschen, die vor der rassistischen Verfolgung in Deutschland flüchten müssen.


Dr. Erwin Reisner ist mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen der wichtigste Vordenker der schwedischen Israelmission. Er wurde am 19.3.1890 in Wien geboren. Er stirbt 1966 in Berlin. Er war Offizier 14/18, seit 1935 wieder in Wien, seit 1937 Generalsekretär des Komitees für Juden - Mission des Internationalen Missionsrates mit Sitz in Wien VI., Liniengasse 2a. Die Hauptleitung dieser Organisation befindet sich in London. " Seine Tätigkeit besteht darin, alle ihm vom Missionsrat und den diesen angeschlossenen Kirchen zu überwachen und organisatorisch wie auch hinsichtlich der missionarischen Arbeit zu leiten. " " Er steht in jener Front, die sich um Professor Barth geschart haben. " Wollte eine Zeitschrift herausgeben, um die " deutschen Protestanten Österreichs und des Auslandes im reichsfeindlichen Sinne zu beeinflussen . " Er publiziert 1923 in Hermannstadt ( Gedichte, Der blaue Pokal ), 1924 in Wien, 1927, 1929 und 1932 in München. Seine Dissertation legt er am 24.8. 1932 in Marburg vor. Er wird 1945 Dozent der Kirchlichen Hochschule in Berlin, Professor 1949 und emeritiert 1960.






Titelblatt des Buches von Erwin Reisner aus der Nationalbibliothek, Wien

Ernst Reisner sieht in den Juden das " Volk, das den Sohn Gottes getötet hat. " Er veröffentlicht im Jahre 1937 eine Broschüre mit dem Namen " Die Stunde Israels " Sie zeigt auf dem Titelblatt eine beinahe abgelaufene Sanduhr. Reisner erklärt in seinem Büchlein, " daß die Juden unter den Führern der neueren destruktiv - revolutionären Bewegungen in unverhältnismäßig großer Zahl vertreten sind. " Er hält das kollektivistische Denken für eine " ausgesprochen jüdische Eigentümlichkeit ". Die verbreitete Meinung, daß das Unglück der Welt durch Juden verursacht werde, formuliert er theologisch : " Gerade weil die Juden das von Gott erwählte Volk sind, durch das Er alle Völker segnen will, muß ihre Unbekehrtheit zum Fluch und Unsegen für alle werden, bringt sie eine Disharmonie in die Welt, die sich weit verhängnisvoller auswirkt, als der Unglaube oder Nicht - Glaube der Heiden. " Er vermutet im Rassismus seiner Zeit ein Werkzeug göttlichen Willens : " Der Jude selbst müßte sich die Frage vorlegen, ob hinter dem Nein der Antisemiten nicht vielleicht Gott steht. " Liberalen, aufgeklärten Juden wirft er vor : " Genau so wie die Pharisäer und Schriftgelehrten von damals sind die Juden unserer Zeit, auch dann, wenn sie nicht mehr in ihrem Sinn glauben, wenn sie als sogenannte ' Freidenker ' ihre Kräfte an profane Dinge verschwenden, die typischen Fanatiker des Gesetzes. " Allerdings trifft er die Einschränkung, Juden dürften nicht als Masse beurteilt und behandelt werden. Man müsse sich bemühen, sie als " vollwertige Einzelperson " schätzen, um sie ihrer eigentlichen Bestimmung, eben dem Christentum, näher bringen zu können.


Dr. Hans Prager setzt sich mit dem " Problem der Erniedrigung - nach seiner sozialen wie auch nach seiner seelischen Seite hin - " in der Weltanschauung Dostojewskis auseinander. Er nimmt den Autor in Schutz : " Das ' Asiatentum ' unseres Dichters, von dem man so gerne spricht ist nichts anderes, als das allgemein Menschliche in uns selbst und in diesem Sinne sind wir natürlich alle Geschöpfe der weiten Gefilde Asiens. " Die Philosophie Immanuel Kants steht für ihn " an der Grenze zweier Welten ". Die Trennung verläuft zwischen einer vereinzelnden Intellektualität, die der Abstraktheit alttestamentarischer Gesetze gleichkommt und einem " Allgefühl des Menschen ", das dem Christentum entspricht, welches " das Göttliche zur Gestalt werden ließ ". Prager hofft auf einen " lebendigen Individualismus ", der mit dem Universalismus zusammenfällt. Der Individualist " im erfülltesten Sinne vermag jene Unterströmungen in seinem eigenen Wesen zu erkennen, die ihn an der Entfaltung seiner letzten Kräfte hindern, die die Seele enteignen um des Gedankens willen, statt den Gedanken um des Menschen willen zu enteignen. "






Auf Hans Prager könnte der Titel der Zeitschrift " Aus zwei Welten " zurückgehen, die von ihm und Pfarrer Göte Hedenquist herausgegeben wird. Die "Monatsschrift für Christen und Juden " erscheint erstmals im Dezember 1937. Im Jänner 1938 geht Hedenquist in seiner Neujahrsbotschaft im Vorwort zur zweiten Nummer auf die "ausweglose Situation des größten Teils der Judenheit " ein. Er setzt in einem Aufsatz " Gesetz und Glaube " die evangelische Heilslehre entgegen. Im Februar 1938 geht Hedenquist in seiner Einführung in die dritte Nummer auf die aktuellen Erlebnisse der Diffamierung, Enteignung, Vertreibung und Vernichtung ein. Unmittelbar vor dem Einmarsch deutscher Truppen erscheint im März 1938 die vierte und letzte Nummer von " Aus zwei Welten "


Der Redakteur Hanoch Gerstl, Wien VI., Schmalzhofg. 9 gründet am 6.3.1937 die " Gesellschaft zur Förderung und Unterstützung christussuchender Juden ". Er wurde am 16.3.1899 in Höör bei Malmö in Schweden geboren. Er ist der Herausgeber der schwedischen Zeitung " Israels Väktare ". Er ist in Wien zur Schule gegangen. Im Jahre 1929 soll er nach Schweden gereist und vom mosaischen zum evangelischen Glauben übergetreten sein. Er hat die schwedische Staatsbürgerschaft erworben und die österreichische abgelegt.


Am 17.3.1937 melden Beamte des " Polizei - Kommissariates - Mariahilf " die Abhaltung eines nicht angemeldeten Bibelvortrages im Untermietzimmer des Predigers Gerstl. Die Polizisten werden telefonisch verständigt, daß wohl eine kommunistische Zusammenkunft stattfindet. In dem 25 Quadratmeter großen Untermietzimmer sind 38 Personen, " zumeist ältere Frauen und einige Burschen ... teils auf Sesseln oder stehend zusammengepfercht." Die geladenen Gäste haben Bibeln bei sich. Die Veranstaltung wird aus Sicherheitsgründen untersagt. Am 22.5.1937 wird eine Gebetsversammlung im Gasthaus zum guten Tropfen, VI., Schmalzhofgasse 11 abgehalten. Der Titel lautet " Das Volk Israel - ein Geheimnis ". Gerstl zitiert aus dem Römerbrief des Apostels Paulus Kap. 11, Vers 25,26. Er führt in seiner weiteren Rede an, " daß im Laufe der Zeit sehr viele Völker von Erden verschwanden, wogegen die Juden trotz der vielen Heimsuchungen und Vernichtungsabsichten anderer Völker durch Jahrtausende bis heute weiterbestehen. " Nach den Gesetzen der Logik dürfe eigentlich kein einziger Jude mehr am Leben sein, denn so viele Versuche seinen unternommen worden, den Lebensnerv des jüdischen Volkes zu treffen. Trotzdem seien die die großen babylonischen Völker wie die Heriter, Perisiter oder Moabiter restlos verschwunden. Das jüdische Volk könne mit Hass und Drangsalierung nie vernichtet werden. Es vermehre sich umso mehr. Das jüdische Volk, welches in seiner Religion noch immer nach der Erlösung suche, könne nie durch Hass, sondern nur durch Liebe zu Christus und zum Christentum bekehrt werden. Die " Judenfrage " sei daher nicht eine ökonomische, politische oder nationale, sondern eine geistliche Frage.


Im März 1938 nimmt eine bewaffnete SA - Patrouille in der Missionsstation in der Seegasse eine Hausdurchsuchung vor , " da ihre antinationalsozialistische Haltung bekannt war. " Bargeld und Scheckformulare im Wert von 1000 Schilling werden geraubt. Der Schwedische Gesandte Undén interveniert deshalb bei der Polizei. " Auf Grund eines Einspruches des Schwedischen Konsulates, unter dessen Schutz die Missionsgesellschaft steht, wurden die von der Partei ergriffenen Maßnahmen wieder rückgängig gemacht. "





Es werden mehr Mitarbeiter in der Mission gebraucht. Anna Lena Peterson kommt von Schweden nach Wien. Sie findet " ein Chaos in der Welt der Juden. " Die Schweden betreiben ein " Auswanderungsbüro ". Sie bieten Unterstützung in materiellen Dingen, bieten eine Notunterkunft. Von morgens bis abends sind in der Seegasse überall Menschen, die Hilfe, Rettung und Zuflucht suchen. Die Behörden beobachten das Haus andauernd. Beim kleinsten Versehen gibt es " eine Aufregung ". Die Mitarbeiter müssen sich vor der Gestapo verantworten.


Am 13.12.1938 befindet die Gestapo in einem Schreiben an das Auswärtige Amt, die Judenmissionare seien " Gegner des nationalsozialistischen Reiches und seiner Weltanschauung " Das Weiterbestehen dieser " Schwedischen Missionsgesellschaft " und des in Wien befindlichen Generalsekretariats sei " nicht mehr tragbar ". Am 27.1.1939 schreibt der Sicherheitsdienst der SS an den für die Überwachung von Vereinen zuständigen Stillhaltekommissar in Wien, die Schwedische Israelmission sei aufzulösen und zu verbieten. Am 8.3.1939 berichtet die Deutsche Gesandtschaft in Stockholm an das Reichsaußenministerium in Berlin : " Bedenken gegen die vom Geheimen Staatspolizeiamt gegen die Schwedische Missionsgesellschaft Israel in Wien geplanten Maßnahmen bestehen nicht. " Am 12.9.1939 ordnet der Stillhaltekommissar offensichtlich aufgrund neuer Einsichten des Auswärtigen Amtes an, daß die Schwedische Israelmission bestehen bleibt. Das Institutum Delitzschianum wird von der Gestapo geschlossen. Birger Pernow und der Direktor Dr. Kosmala muß mit seiner Familie Wien verlassen.


Die Istaelsmission setzt ihre Arbeit fort. Im Souterrain des Hauses in der Seegasse ist ein Jugendheim eingerichtet. Man wird bewirtet, kann Freunde mitbringen, hat das Gefühl, sich auf " schwedischem Territorium " zu befinden. Es wird getanzt. Es herrscht eine gute Atmosphäre. Man singt Volkslieder, pflegt Volkstänze, gibt sich bodenständig, trägt Dirndl. Es gibt einen Kinderkreis, einen Mütterkreis, Bibelstunden, Gottesdienste und geistlichen Gesang. Die Jugendkreise finden in einem großen Kellerraum statt. An der Wand steht der Sinnspruch : " Wachet ! Steht im Glauben ! Seid männlich ! Seid stark ! " Am Mädchenkreis nehmen etwa zwölf bis zwanzig Personen teil, einige kommen " wirklich nur hin, um die Ausreise kriegen " . Andererseits werden auch Getaufte deportiert und ermordet. Die Schweden fühlen sich für ihre jungen Leute verantwortlich. Sie wollen nicht nur missionieren, sondern eine Heimat zu bieten. Sie üben keinen Druck aus. Sie sind großzügig. Sie bieten ihre Hilfe an, ohne unnachgiebig auf der Bekehrung zu bestehen. Im Hause befindet sich eine Niederlassung der Quäker, die sich in Zusammenarbeit mit den Schweden ebenfalls bemüht, Ausreisemöglichkeit für Bedrohte zu finden. Eine Freundin von Anna namens Lisa, die im Dritten Reich sehr gefährdet ist, kann auf diese Weise nach England flüchten. Die Mädchen kannten sich aus der kommunistischen Bewegung.


Leute aus dem Jungmännerkreis, die von Hedenquist als " absolut zuverlässig " eingeschätzt werden,arbeiten in der " zentralstelle für jüdische Auswanderung ", der Dienststelle Adolf - Eichmanns im ehemaligen Rothschild - Palais. Sie versuchen in Ausreisefragen zu helfen. Stellen ihre Schützlinge in die richtige Warteschlange. Stellen vielleicht einen gewissen Schutz vor den rabiaten und brutalen Schläger im Haus an der Prinz-Eugen-Straße dar. Sie werden von den Nazis scherzhaft Gemipo, " Geheime Missionspolizei " genannt. Jeweils ein bis zwei, und wenn möglich nur solche, die sogenannte ' Mischlinge ' waren " konnten sich mit schwarzen Reithosen, weißen Hemden und schwarzer Krawatte bekleiden, womit sie unter den vielen SS - und übrigen Nazivertretern, die ständig in diesem Haus tätig waren, weniger Aufmerksamkeit erweckten. Hedenquist nennt seine Organisation : " unsere Repräsentation bei Eichmann ". Er stellt fest : " Über 3000 Juden und Christen jüdischer Abstammung konnten so in den Jahren 1938 bis 1940 ins Ausland und so vor dem sicheren Tode gerettet werden. " Auch die Diakonisse und Jugendleiterin Anna Lena Peterson bezeugt : " Es werden in der Zeit von 1938 bis 1941 3000 Menschen aus Nazideutschland in das neutrale Ausland gerettet. " Sie erinnert sich : " Es war sehr schwer . " Die Schließung des Hauses in der Seegasse durch die Gestapo erfolgt im Sommer des Jahres 1941. ,






Jugendliche und junge Erwachsene, die aus der Seegasse deportiert und ermordet wurden :

Gerhard Deutsch

Trude Pater

Gerhard Deimer, Egon Kurz, Georg Krüger, Walter Brill, Kurt Schlesinger

Ilse Hand

Herta  Demerer

Hanna Lichtenstein

Kontaktadresse : Albert Ottenbacher, Gotthardstr. 68, 80689 München, Tel. 563815